Budapest Mai 2022

EINE UNGEWÖHNLICHE GÖTTERDÄMMERUNG

An den Auslöser kann ich mich nicht mehr erinnern, aber plötzlich befinde ich mich mitten in der Recherche über Spielpläne, Sehenswürdigkeiten, Hotelzimmer, Restaurants und Verkehrsverbindungen in Budapest. Es fällt bald der Entschluss, die Götterdämmerung in der Ungarischen Staatsoper zu besuchen und so fassen wir die Vorstellung am 22. 5. 2022 ins Auge.

Samstag, 21. 5. 2022

Abfahrt Bahnhof Meidling pünktlich um 10:34 Uhr mit dem RegioJet. Die Fahrt dauert 2 h 40 min und führt über Hegyeshalom und Györ nach Budapest Déli. Der Bahnhof ist heruntergekommen und offensichtlich ein Relikt der kommunistischen Ära. Nach einigen Irrwegen finden wir den Abgang zu unserer U-Bahn M2.

Wir kaufen ein 72-Stunden-Ticket um 4.150 HUF (€ 10,75). EU-Bürger über 65 fahren gratis und benötigen nur einen Ausweis.

Wir fahren bis Deák Ferenc tér (tér=Platz), steigen in die M1 um und fahren bis zur Station Opera. Die Fahrzeit beträgt 20 Minuten. Die M1 fährt seit 1896 und dementsprechend museal sehen auch die Bahnsteige aus. Sie sind aber gewissenhaft restauriert – immerhin gehören sie zum UNESCO-Welterbe.

Verlässt man die Station über wenige Treppen, steht man direkt vor der Staatsoper. Sie hat eine fünfjährige umfassende Renovierung hinter sich, die man selbst an den nagelneuen Türgriffen erkennen kann. Dass um die Kosten von 150 Millionen Euro die komplette Technik erneuert wurde, versteht sich von selbst.

Wir suchen aber vorerst unser Hotel auf, das 100 m von Metro und Oper entfernt in einer Seitenstraße liegt. Das Hotel ist in Ordnung, das Zimmer ist ausreichend groß und die Lage ist natürlich bestechend.

Wir brechen zu einem Spaziergang ins Zentrum und zur Donau auf. Die Donau ist von unserem Hotel ziemlich genau 1 km entfernt. Natürlich müssen wir uns zuerst orientieren, was nicht ganz leicht ist.

Vorbei an gemütlichen Lokalen erreichen wir die bekannteste Einkaufsstraße, die Váci utca (utca=Straße).

Am oberen Ende der Váci utca liegt der Vörösmarty tér mit dem bekannten Café Gerbeaud. Der Platz ist nach dem ungarischen Dichter Vörösmarty benannt.

Wir aber gehen weiter in Richtung Donau wo sich in den frühen Abendstunden ein wunderschöner Blick auf das jenseits der Donau liegende Burgschloss und die Fischerbastei bietet.

Nach einem kleinen Spaziergang besuchen wir ein Lokal und essen Paprikahendl mit Zigeunermusik.

Wir wandern nun durch die Váci utca in südlicher Richtung. Es ist Samstag und die Straße ist überaus belebt. Man erkennt viele Touristen. Da es sehr warm ist und wir müde sind, finden wir ein Lokal, trinken Bier und Wein und beobachten die Passanten.

Zu Fuß gehen wir zurück zum Hotel und kaufen unterwegs im Supermarkt ein. Zum Tagesabschluss läuft das deutsche Cupfinale Freiburg vs. Leipzig am Handy.

[Exkurs: Bei Geldabhebung am Automaten im Nicht-Euroraum wird häufig die Auswahl mit oder ohne Konversion abheben angeboten. Man soll auf jeden Fall die Konversion (=Sofortumrechnung) ablehnen. Bei Konversion wüsste man zwar sofort den genauen Eurobetrag, es wird aber zu einem schlechteren Kurs umgerechnet als später bei der Hausbank. Aber wozu möchte man den exakten Eurobetrag wissen?]

Sonntag, 22. 5. 2022

Wir stehen nicht so früh auf und fahren mit der Straßenbahn (4 oder 6) vom Oktogon (achteckiger Platz) über die Margaretenbrücke nach Buda.

Dann wird umgestiegen auf die Straßenbahn (19 oder 41) und es geht bis zur wegen Renovierung gesperrten Kettenbrücke. Die U-Bahnen, Straßenbahnen und Autobusse finden wir mit der Google Maps Routenplanung. Man muss dabei öffentliche Verkehrsmittel anwählen.

Vom Clark Ádám tér fährt die zweitälteste Standseilbahn der Welt auf den Burgberg. Die Bergfahrt kostet für Erwachsene 1400 HUF (€ 3,63).

Nach 95 Sekunden Fahrzeit hat man einen unglaublichen Blick über Budapest. Am Fahrpreis von ca. 4 Cent/Sekunde kann man erkennen, dass die Bahn nur von Touristen benutzt wird.

[Dieses Panoramafoto hat Google ohne weiteres Zutun aus meinen in die Cloud hochgeladen Fotos errechnet. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich das will.]

Das Burgviertel mit seinen vielen historischen Gebäuden, Kirchen und Museen ist äußerst weitläufig und es bedarf guter Vorbereitung um sich zurechtzufinden. Es ist auch nicht immer einfach, ungarische Bezeichnungen auf Plänen mit der Beschreibung im Reiseführer zur Deckung zu bringen. Da wir uns aber vorerst nicht allzu tief in die ungarische Geschichte einarbeiten wollen, belassen wir es bei einer oberflächlichen Besichtigung. Die Fischerbastei konnten wir so aber noch nicht identifizieren.

Den Abstieg schaffen wir zu Fuß und finden als einziges Lokal ein Szenerestaurant (?), das uns je einen mickrigen Hühnersalat und ein mittelgroßes Bier um knapp € 40 verkauft. Dafür ist die Musik etwas nervig.

[Exkurs Trinkgeld: In Ungarn ist es mittlerweile üblich das Trinkgeld bereits zum Rechnungsbetrag dazuzurechnen. Es sollen maximal 15% erlaubt sein. Auf meinen Rechnungen sind häufig 12,5% zu finden. Man findet dann so etwas wie „szervízdí jat tartalmaz“. Google Translate sagt dazu „inklusive Servicegebühr„. Jedenfalls zahlt man einfach den ausgewiesenen Betrag. Und eine Rechnung ohne Servicegebühr ist mir in Restaurants nicht untergekommen. Bei der Gelegenheit können wir auch gleich die Rechnung aus diesem Restaurant analysieren:

Man sieht, dass hier der Prozentsatz für die Servicegebühr nicht ausgewiesen ist – vielleicht weil er 15% beträgt.]

Die Google Routenplanung bringt uns dann mit einem einzigen Bus, der sich durch die engen Gassen der Innenstadt schlängelt, von der Elisabethbrücke bis zum Hotel. Es ist mittlerweile 14:00 Uhr und somit Zeit für eine Rast vor der Götterdämmerung.

Um 16:00 brechen wir auf und gehen vorerst ins Café Callas neben der Oper. Von dort können wir das Eintreffen der Opernliebhaber beobachten.

Wir konsumieren Kaffee mit Cremeschnitten. Es muss aber gesagt werden, dass diese nur bedingt an die österreichische Version heranreichen, wobei schon klar ist, dass objektive Beurteilungskriterien fehlen.

Danach endlich in der Oper. Wie schon erwähnt ist alles renoviert und das Haus ist äußerst prunkvoll.

Sieht man genau hin, so stellt man fest, dass der Marmor zumindest teilweise nicht echt ist, sondern bemalter Gips. Auch in der Dresdner Semperoper wurde diese Spartechnik angewandt. Wenn man die Oberfläche aber nicht genau ansieht und anfühlt ist der „Schwindel“ nicht zu erkennen.

Der Zuschauerraum verfügt über eine knackige, transparente Akustik, die an die Semperoper erinnert. Der Boden im Parkett ist aus Holz und kein Teppichboden. Auch sonst wurde Samt sparsam verwendet.

Im Orchestergraben sieht man 6 Kontrabässe. In Graz sind es bei Wagner 5 und in der Staatsoper 8. Die für Bayreuth in der Partitur vorgesehene Anzahl beträgt ebenfalls 8.

Zwischen dem Orchester und der 1. Sitzreihe befindet sich eine Balustrade aus kleinen Holzsäulen, die auf der Zuschauerseite nur mit Stoff bespannt ist. Der Orchesterklang kann ungehindert durch und das tut er in der Götterdämmerung auch reichlich.

Die Pausen bieten Gelegenheit das Haus bei Nacht auch von außen zu bewundern.

Die Aufführung beurteilen wir dann als hervorragend und wir sind nicht die einzigen. Eine ausführliche Kritik kann man beim Online Merker nachlesen.

Lt. dieser Kritik sind die Entstehungsjahre dieses Ringes wie folgt: Rheingold 2015, Walküre 2016, Siegfried 2017, Renovierung des Hauses, Götterdämmerung 2022. Der komplette Ring folgt im Herbst.

Das Programm wurde vorab per Mail als PDF zugesendet. In Papierform gab es keines zu kaufen. Die Mitwirkenden findet man hier:

Um 23:00 Uhr – die Aufführung hat mit einer Verzögerung begonnen – gehen wir noch einmal ins Café Callas. Das hat bis 00:00 Uhr offen – wir sind aber die einzigen Gäste. Das Bier für die Nachbesprechung wird uns trotzdem freundlich serviert.

Montag, 23. 5. 2022

Wir planen einen Besuch der großen Markthalle, der Fischerbastei und der Synagoge. Dazu machen wir uns auf den Weg zur M3. Unterwegs, in der Nähe der Szent István Bazilika (St.-Stephans-Basilika), stoßen wir auf ein Bistro und nehmen ein Frühstück.

Gestärkt verzichten wir auf die M3 und lassen uns vom Handy durch die Váci utca zur Markthalle leiten. Die baumlose Einkaufsstraße liegt bereits in der prallen Sonne, aber wir schaffen das.

Die Markthalle ist dann relativ kühl. Sie beherbergt eine Vielzahl an Ständen bzw. Geschäften. In der unteren der zwei Etagen findet man Lebensmittel und in der oberen gibt es Kleidung und Souvenirs.

Letztendlich ist das Angebot aber nicht sehr abwechslungsreich. Man findet Fleisch, Würste, heimisches Obst und Gemüse sowie Wein und Spirituosen. Alle haben das gleiche.

Wir kaufen erwartungsgemäß nichts. Statt dessen setzen wir uns ins Anna Café und besprechen den weiteren Tag.

Google erklärt uns die Verkehrsmittel zur Fischerbastei. Mit der Straßenbahn fahren wir über die Freiheitsbrücke bis zum Gellért Platz. Dort steigen wir in die Straßenbahn 19 oder 41 um und fahren bis zum Fuß der Fischerbastei. Sowohl Handy als auch Reiseführer verschweigen die Existenz von Autobuslinien zur Fischerbastei und so mühen wir uns viele Stufen empor und das bei bereits hohen Temperaturen.

Oben angekommen offenbart sich aber wieder einmal ein Ausblick der Sonderklasse. Man sieht über die Donau und den dahinterliegenden Stadtteil Pest.

Zusätzlich ist die verspielte Fischerbastei nett anzusehen. Anschließend gönnen wir uns Cremeschnitten in der berühmten Konditorei Ruszwurm, die seit 1827 existiert. Die Cremeschnitten schmecken nicht schlecht, haben aber mit unserer Variante nicht viel gemein.

Der Abstieg geht naturgemäß einfacher. Wie gehen entlang der Donau bis zur M2. Mit dieser Metro fahren wir sodann bis zur großen Synagoge (Synagoge der Dohánystraße).

Der Eintrittspreis (€ 17 pro Person) ist relativ hoch, das im maurischen Stil errichtete Bauwerk ist aber beeindruckend.

Den Abend verbringen wir im Restaurant Szék unweit der Oper in der Andrássy út.

Die Andrássy út ist lt. Wikipedia die berühmteste Prachtstraße Budapests. Und obwohl hier viele teure Markengeschäfte angesiedelt sind, dominiert ungehindert der Autoverkehr auf 4 Spuren plus je einer Nebenfahrbahn. Was Fußgängerzonen betrifft hat auch Budapest noch etwas Luft nach oben.

Dienstag, 24. 5. 2022

Wir müssen bis 11:00 Uhr das Hotel verlassen und haben daher bis zur Abfahrt um 14:45 Uhr etwas Zeit. Wir frühstücken nochmals in der Nähe der Szent István Bazilika. Das Bistro heißt vielversprechend „0,75“, aber wir entscheiden uns nochmals für das gleiche Frühstück.

Danach beschließen wir, die Basilika zu besuchen, was sich als Glücksfall erweist, denn die Kirche ist ausgesprochen prächtig und im klassizistischen bzw. Neorenaissancestil gehalten.

Da es in der Nacht geregnet hat, ist es nicht mehr ganz so heiß und so trinken wir unser Mittagsbier im Longford Irish Pup. Wir verzichten auf Guinness sondern wählen Soproni. Uns schmeckt das Bier sehr gut – es erinnert in seiner Herbheit an die Berliner Biere.

[Exkurs Geld: In Euroländern haben wir uns schon so sehr an die gemeinsame Währung gewöhnt, dass wir uns an die Vor-Eurozeit kaum noch erinnern können. In Ungarn stellt sich jedoch sofort die Frage nach dem Bezahlen. Bargeld oder Karte deren Komfort unvergleichlich ist. Wir haben niemanden gefunden, der unsere Debitcard nicht akzeptiert hätte. Was man nicht machen soll: Geldwechsel in Wechselstuben, Abhebung bei Euronet-Automaten oder bei denen mit der Aufschrift EUR-HUF und auch nicht mit Euro bezahlen. Spesen sind aber nicht vermeidbar wie die folgenden Beispiele zeigen:

Das sind 10 Kartenzahlungen (Restaurant, Supermarkt) und eine Barabhebung (19000) am Automaten (Raiffeisen). Man sieht sofort, dass die Kartenzahlung von kleinen Beträgen relativ hohe Spesen verursacht und ein wenig Bargeld daher sinnvoll ist. Die Grenze bis zu der man mit Karte zahlen möchte ist individuell verschieden, aber bei „größeren“ Beträgen ab 20000 HUF (ca. 50 EUR) ist Bargeld nicht mehr sinnvoll.]

Die M2 bringt uns danach zum Déli pályaudvar, den wir in seiner „Hinter dem eisernen Vorhang“-Trostlosigkeit eine Zeit lang bewundern.

Der Regiojet ist danach nur schwach besetzt und bringt uns pünktlich nach Meidling.

– E N D E –