Bayreuth 2021

7. bis 9. August 2021

„Muss es sein? Es muss sein! Es muss sein!“ Mit diesem Motto beginnt der letzte Satz von Beethovens Streichquartett op. 135. Was Beethoven gemeint hat, ist nicht sicher – es könnte die Bezahlung seiner Haushälterin gewesen sein. Wir beziehen das Motto jedenfalls auf unseren Besuch von Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ nachdem der letzte Bayreuth-Aufenthalt schon wieder vier Jahre zurückliegt.

Wir erreichen Bayreuth nach ungestörter Fahrt am frühen Nachmittag. Es sind zwar 530 km, aber wir schaffen diese Distanz ohne Pause. Unser Zimmer haben wir wieder im Hotel Rheingold. Der Preis ist in etwa gleich hoch wie 2014 und ist damit doppelt so hoch wie außerhalb der Festspielzeit.

Nur der Vollständigkeit halber: die weiß-blaue Flagge symbolisiert Bayern, die rot-weiße die Region Franken. Der Rest sollte klar sein (und nein, es ist nicht die belgische Flagge!).

Wagner trägt Maske. Die Figur stammt aus dem Wagnerjahr 2013 und ist von Ottmar Hörl. Anfänglich war Bayreuth auch im öffentlichen Raum damit überschwemmt, die Skulpturen wurden aber rasch gestohlen. Man kann sie jetzt aber noch immer kaufen.

Nach dem Check-in wollen wir sofort zu unserem geliebten Herzogkeller. Leider regnet es und so müssen wir drinnen Platz nehmen, was allerdings nur das halbe Vergnügen bereitet. Dass einer unserer Schirme kaputt ist und wir einen neuen kaufen müssen, ist quasi das Tüpfelchen auf dem i.

Die bayrische (hier nicht bayerische) Brotzeit und das Bier entschädigen für die Unbill. Vor lauter Hunger und Durst vergessen wir, die Köstlichkeiten zu fotografieren.

Wir sind danach leicht erschöpft und verbringen den Abend vor dem Fernseher. Im ZDF läuft ein Film zum Thema „Mauerbau 1961“.

Der nächste Tag beginnt erfreulicher und von Anfang an mit Sonne. Freundlicherweise gibt es ein Frühstücksbuffet, statt wie online angekündigt ein Frühstückszimmerservice, das wir ohnehin nicht in Anspruch genommen hätten.

Die verpflichtenden Masken und Plastikhandschuhe dürfen aus unserer Sicht auch nach der Pandemie (falls es ein „nach“ gibt) beibehalten werden. Das Frühstück ist ein einigermaßen anständiges 08/15-Seminarhotelfrühstück. Immerhin ist das weiche Ei weich und nicht wie üblicherweise hart.

Nach dem Frühstück geht’s zur Villa Wahnfried. Diesmal nicht zur Besichtigung, sondern zur Vorabregistrierung für die nachmittägliche Vorstellung.

Am Weg dorthin kommen wir bei einem Modellbahngeschäft vorbei, dessen Existenz mich jedes Mal interessiert, obwohl mich Modellbahnen überhaupt nicht interessieren. Dieses Hobby ist ein bisschen aus der Zeit, billig ist es aber trotzdem nicht. Das Geschäft gibt es aber noch – es ist nur geschlossen, weil Sonntag ist.

Dafür hat die Markgrafen-Buchhandlung das Handtuch geworfen. Beim letzten Besuch mussten wir bereits die Buchhandlung Hugendubel vermissen. In beiden Buchhandlungen hatten wir das eine oder andere gekauft, aber die können halt nicht von den Festspielgästen überleben. Eine Buchhandlung in der Maximilianstraße gibt es aber noch. Die Spannung beim nächsten Besuch wird kaum zu ertragen sein.

Wir erreichen die Villa Wahnfried, neuerdings Haus Wahnfried. Auf einen Besuch verzichten wir dieses Mal und konzentrieren uns hundertprozentig auf die COVID-Registrierung.

Die Warteschlange ist überschaubar und so fällt die Anspannung nach und nach von uns ab.

Unsere Registrierung erfolgt ohne Probleme und wir erhalten das begehrte Armband. Geprüft werden dabei der Impfnachweis und die Eintrittskarten.

Unsere Vermutung, dass damit auch ein „All-you-can-eat“ verbunden sein könnte, entpuppt sich später – wie erwartet – als Illusion.

Vor lauter Freude wollen wir ins Café Wahnfried. Die Sonne knallt aber bereits unerbittlich auf die Gartenmöbel, sodass wir lieber eine schattige Alternative in der Nähe wählen. Auch wollen wir nicht wahnsinnig werden. Genug ist genug. Von hier beobachten wir das eher matte, sonntägliche Treiben.

Noch ein Hinweis: neben dem Haus Wahnfried befinden sich das Franz-Liszt-Museum. Es ist nicht seine einzige Gedenkstätte, aber in diesem Haus ist er gestorben.

Liszt war der Vater von Wagners Frau Cosima und  zu seiner Zeit wesentlich bekannter als Wagner. Ein europäischer Popstar auf dem Klavier, der aber von der Wagner-Sippschaft gegen sein Ende zu nicht besonders gut behandelt wurde. Nachzulesen etwa bei Oliver Hilmes – Liszt: Biographie eines Superstars.

Das Museum haben wir anlässlich unseres ersten Bayreuthaufenthaltes 2010 besucht. Es wäre ein Update fällig, aber wir verschieben den Besuch. Uns fehlt dafür irgendwie die Muße.

Am Rückweg ins Hotel kommen wir noch an der einen oder anderen „Sehenswürdigkeit“ vorbei. Bei diesem seltsamen Wegweiser stellt sich die Frage nach dem Sinn. Durch Recherche im Internet erfährt man, dass es sich dabei um Partnerstädte/-regionen handelt. Die km-Angaben sind bei La Spezia, Rudolstadt, Annecy und dem Burgenland Straßenkilometer, bei Tekirdağ sind 1600 km Luftlinie gemeint. Außerdem bemängeln wir bei der türkischen Hafenstadt das Fehlen des diakritischen Zeichens Breve.

In der Fußgängerzone findet man auch die beiden bayrischen Wirtshäuser Oskar und Wolffenzacher.

Während man im Oskar gut im Gastgarten sitzen und das Treiben in der Fußgängerzone beobachten kann, soll es im Wolffenzacher ein gutes (fränkisches) Schäufele geben. Wir haben das bisher stets an den Nebentischen bewundert. Zu einer eigenen Bestellung sind wir noch nicht vorgedrungen. Unser ausgiebiges Frühstück hat uns auch diesmal davon abgehalten.

Da bis zur Abfahrt zum Festspielhaus noch etwas Zeit bleibt, bietet sich ein Besuch des unweit vom Hotel liegenden Stadtfriedhofs an. Der ist einer von fünf existierenden Friedhöfen in Bayreuth und unter diesen der älteste.

Die Grabanlage von Franz Liszt befindet sich in der Nähe des der Altstadt zugewandten Eingangs.

Richard Wagner ist mit Cosima in der öffentlich zugänglichen Parkanlage von Haus Wahnfried begraben.

In der Nähe befinden sich auch zwei unserer bisherigen Hotels. Das Poseidon war ein Reinfall und es muss davon dringend abgeraten werden. Das H4 Residenzschloss ist sehr gut, deutlich teurer als das Rheinhold und liegt etwas weiter vom Zentrum entfernt. Das Arvena ist ebenfalls sehr gut und war unser erstes Hotel in Bayreuth.

Das Finden eines Hotels kann schon stressig sein, da zu Festspielzeiten alles hoffnungslos ausgebucht ist. Heuer ist es anders, weil nur die halbe Besucheranzahl im Festspielhaus zugelassen ist.

Mittlerweile wird es Zeit, in den Shuttlebus einzusteigen. Das Service kostet heuer erstmals 7 EUR pro Person. In den Jahren davor war es kostenlos. Wir nutzen es trotzdem, da es einfacher ist, als die Fahrt mit dem eigenen Auto.

Es dauert nicht lange und man sieht durch die Frontscheibe das Festspielhaus, von Insidern respektlos als „die Scheune“ bezeichnet. Der Grund dafür dürfte die deutlich sichtbare Holzkonstruktion sein.

Auffällig sind die zahlreichen Zelte und mobilen Stände. Das ist einerseits durch COVID verursacht, andererseits wird der Verpflegungsbereich umgebaut. Die Pausenbewirtung erfolgt überwiegend bei Essens- und Getränkeständen.

Der Restaurantbereich sieht unverändert aus, hat aber einen neuen Pächter. Wir testen ihn sofort mit Kaffee und Gebäck. Zwar sind die Serviermädchen noch etwas unbeholfen was aber das Geschmackserlebnis nicht beeinträchtigt.

Dabei nehmen wir die Besetzungsliste in Augenschein.

Groissböck war für den Wotan im Tristan vorgesehen, hat diesen aber kurzfristig abgesagt und darf dafür jetzt den Nachtwächter singen. Eine durchaus luxuriöse Besetzung für diese Partie. Auch sonst sind wir mit dem Sängeraufgebot mehr als zufrieden.

Die bekannten Fanfaren vor den Aufzügen finden auch heuer statt. Sie ertönen beginnend 15 Minuten vor jedem Akt drei Mal im 5-Minuten-Abstand und man hört eine kurze Blechbläsersequenz aus der aufgeführten Oper.

Der Zutritt in den Zuschauerraum ist dann streng reglementiert, aber nicht zu sehr. Allerdings ist Maskenpflicht angesagt.

Die Sitzreihen sind halb leer, wirken aber nicht so. Man hat dennoch links und rechts einen freien Sitz, der durch eine schwarze Stoffabdeckung versperrt ist.

Die zwei Pausen dauern dann je eine Stunde. Eine Maskenpflicht im Freien ist nicht vorgesehen, Epidemiologen könnten die Situation vor manchem Bratwurststand als durchaus bedrohlich einschätzen.

Nicht wenige Besucher ergreifen daher lobenswert die Verantwortung, verzichten auf die köstlichen Bayreuther Bratwürste und essen stattdessen mitgebrachte Stullen direkt aus dem Kofferraum ihrer Luxuskarossen. Eine neue positive Ausprägung der solidarischen Zivilgesellschaft.

Die Aufführung endet für uns zu früh und wir sind schwer begeistert. Wir sind froh, die Inszenierung von Barrie Kosky bei letzter Gelegenheit gesehen zu haben. Überrascht sind wir von Johannes Martin Kränzle, der, obwohl gesundheitlich leicht angeschlagen, einen überaus witzigen Beckmesser gesungen und gespielt hat. Wer Helga Beckmesser ist, die äußerst witzig auf der Harfe begleitet, ist nicht bekannt. Wir tippen auf Beckmessers Schwester. Die übrigen Sänger sind erwartungsgemäß hervorragend. Chor und Orchester sowieso. Philippe Jordan entzückt mich (natürlich unter anderem) mit zumindest zwei himmlisch langen Generalpausen sehr.

Lange anhaltender Applaus!

Das folgende Foto wurde (wie alle Fotos) mit einem Smartphone gemacht und ich kann nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass so eine Aufnahme ohne Blitz mit einer Spiegelreflexkamera und analogem Film never ever (!) möglich gewesen wäre. Nicht nur die Bildschärfe des im Original 4032 x 2268 Pixel großen Fotos, sondern auch die Farbgebung sind unter diesen extrem ungünstigen Bedingungen sehr überzeugend.

Der Bus wartet am vereinbarten Platz und der Fahrer lässt uns beim Rotmain-Center (=Shopping Center) aussteigen. Von dort sind wir nach fünf Minuten beim Restaurant Eule. Anders als die etwas kindischen Speisenbezeichnungen vermuten lassen, sind die Gerichte durchaus in Ordnung und vor allem ist das Bier wohltemperiert.

In diesem Lokal waren wir schon mehrmals. Immerhin ist es bereits 23:15 Uhr und um diese Zeit bekommt man auch in Bayreuth nicht überall etwas zu essen. Eine Alternative wäre das Hotelrestaurant aber das erscheint uns zu profan. Da nehmen wir lieber die Winnetou-Schnitzel für Erwachsene.

Der folgende Tag bringt die Heimreise mit dem Vorsatz, beim nächsten Anlass wiederzukommen.

– Ende der Reise –

Rein zufällig habe ich entdeckt, dass man die Premiere dieser Meistersinger auf Youtube in voller Länge finden kann. Eine wunderbare Gelegenheit, diese Inszenierung noch einmal anzusehen.