Provence 2019 – Teil 1

VORWORT

Wir wollen zu Abwechslung in den Süden Frankreichs, in die Provence. Wie in die Bretagne reisen wir mit Auto, vier Koffern und allerlei elektronischem Kommunikationszeugs. Hotels haben wir nicht reserviert und auch keine Route festgelegt. Als Reisedauer haben wir zwei bis drei Wochen angedacht und sind dementsprechend ausgestattet. Die Reise möge genauso gut gelingen wie im Vorjahr.

19. 6. 2019 Tag 1
Abfahrt Gaaden 10:20 Uhr – Ankunft Cremona 20:15 Uhr
803 km (Autobahngebühr Tarvisio bis Cremona EUR 33,60)

Die Fahrt bis Leobersdorf zieht sich und Wiener Neustadt will und will nicht auftauchen. Endlich ist die Abfahrt in Sicht und ab dann geht es zack, zack, zack Richtung Wechsel voran. Der Autobahnwegweiser nach Udine erscheint und wir sind schon fast am Ziel. Naja fast.

Die Autobahn zwischen Udine und Cremona ist dreispurig und völlig ausgelastet. Es gibt auch mehrere Staus. Ich kenne das von der Wiener Südosttangente. Die ist halt nur etwas kürzer.

Da der Liter Benzin in Cremona EUR 1,789 kostet, bezweifeln wir kurz die Wirksamkeit von Verkehrs­lenkungs­maß­nahmen durch Spritpreiserhöhungen und Road-Pricing.

In Cremona angekommen unternehmen wir, obwohl leicht erschöpft, noch einen Abendspaziergang zum Dom, der unweit unserer Unterkunft liegt. Einzig eine Pizzeria hat noch offen und eine Bar, die Flaschenwein verkauft. Beides wird dankbar akzeptiert.

Wir finden überall Hinweise auf die Stadt des Geigenbaus.

Das Quartier haben wir während der Fahrt gebucht, nachdem wir uns entschieden haben bis Cremona zu fahren. Es ist eine kleine Wohnung, etwas dunkel und interessant geschmückt, aber ok. Dringend weiterempfehlen würden wir es nicht, aber wir schlafen zufrieden und wie gerädert.

20. 6. 2019 Tag 2
Abfahrt Cremona 13:00 Uhr – Ankunft Cagnes-sur-Mer 17:30 Uhr
373 km (Autobahngebühr Italien EUR 33,40, Frankreich EUR 4,80)

Vor der Abreise machen wir uns auf den Weg zum Dom. Er enthält wie die meisten Sakralbauwerke Bauteile aus verschiedensten Epochen. Auffallend ist vor allem die wuchtige romanische Fassade mit ihren spielerisch filigranen Renaissanceelementen.

Danach besuchen wir das Museo del Violino. Der Kenner weiß natürlich um die Bedeutung Cremonas für die Entwicklung des Geigenbaus, immerhin haben die Geigenbaugötter Amati, Guarnieri und Stradivari hier gearbeitet.

Die nicht allzu große, aber mit Multimediaelementen angereicherte Ausstellung zeigt Streichinstrumente aus allen Epochen, darunter viele der drei genannten Geigenbauer. Sehr gut wird auch der Herstellungsprozess mit Videos und Exponaten erläutert.

Die erhaltenen Instrumente der drei Meister werden auch heute nach 300 Jahren gespielt. Mich hat allerdings verwundert, dass kein Instrument in der originalen Mensur zu sehen ist, auch keine Kopie. Die Instrumente wurden bekanntlich alle im 19. Jhd. „modernisiert“. Ansonsten fehlt mir nur die Möglichkeit, auf einer echten Cremoneser Violine ein paar Töne zu spielen.

Wären wir nicht zufällig nach Cremona gekommen, wir hätten extra für das Museum hierher reisen müssen. Wir bestellen in der Museumscafeteria noch due caffè espresso mit etwas Gebäck und machen uns auf die Weiterreise.

Die Autobahn ist gut gefüllt und bald fahren wir die italienische Riviera entlang. Hier wechseln sich Brücken und Tunnels ab.

Die Autobahn wurde offensichtlich extrem aufwändig gebaut. Trotzdem lassen wir Sanremo, Monaco und Nizza achtlos liegen und erreichen Cagnes-sur-Mer.

Warum Cagnes-sur-Mer? Warum nicht? Das Hotel buchen wir während der Fahrt. Es ist ein kleines, älteres Haus im 60er-Jahre-Stil (die älteren Waschbecken haben getrennte Ventile für kalt und warm). Es hat aber eine Terrasse und einen Pool, den wir nicht benutzen. Und es hat einen gewissen Charme.

Das Abendessen besteht aus Côtes du Rhône, Baguette, Brie und Oliven aus dem naheliegenden Carrefour und wir sind völlig zufrieden.

Auf der Nachbarterrasse tauchen (für uns unsichtbar) kurz Russinnen mit Anhang auf. Sie sind etwas sehr laut und wir befürchten Bahö für die Nacht. Aber das Problem löst sich glücklicherweise durch plötzliche Ruhe – auch für den Rest der Nacht. Wir schlafen entspannt.

21.6.2019 Tag 3
Abfahrt Cagnes-sur-Mer 10:45 – Ankunft Arles 16:30
240 km (Autobahngebühr EUR 22,30)

Vor der Weiterfahrt unternehmen wir einen Strandbesuch in Cagnes-sur-Mer. Der Strand im Bereich der Stadt ist nicht sehr attraktiv, außerdem ist es heiß.

In Aix-en-Provence machen wir gegen 13:00 Uhr einen Zwischenstopp, fahren in eine sehr enge Tiefgarage und spazieren durch die Innenstadt. Das Festival d’Aix-en-Provence ist bekannt und attraktiv, aber für uns zeitlich nicht passend.

Wir setzen uns aber in eines der zahlreichen Cafés auf dem Cours Mirabeau und beobachten das emsige Treiben. Auffallend sind hier die mächtigen Platanenalleen, die viele Straßen beidseitig säumen.

Nach kurzweiliger Fahrt durch eine hügelige Landschaft, vorbei an den Alpillen, erreichen wir gegen 16:30 Uhr Arles, unser heutiges Etappenziel.

Die Stadt ist nicht sehr groß (53.000 Einwohner), was sie aber nicht daran hindert trotzdem verkehrsreich zu sein. Unser Appartement liegt direkt bei der Arena. Das gesamte Gebiet rundum ist mit automatischen Pollern gesperrt und so müssen wir zwischenparken und bei der Vermieterin eine Einfahrtskarte holen. Das Parken ist damit freilich nicht gratis und wir bezahlen 7 EUR für ungefähr zwei Stunden bis 19:00 Uhr.

Unser Appartement kann seine mittelalterliche Herkunft nicht leugnen, ist aber sehr gut renoviert und ausgestattet. Kühlschrank, Tiefkühler, Herd, Mikrowelle, Wasserkocher, Kaffeemaschine Geschirrspüler, Waschmaschine und Internet mit 32 Mbit/s. Alle Räume sind klimatisiert, dazu wirkt alles ziemlich neu.

Wir bewohnen 65 m² aufgeteilt auf 3 Etagen. 2 Toiletten sorgen für rasche Erreichbarkeit im Notfall.
Aus den 3 Fenstern (in jeder Etage eines) haben wir Blick auf die zum Greifen nahe liegende römische Arena, die in der Nacht für uns beleuchtet wird.

Wir sind begeistert, machen uns aber dennoch auf den Weg in die Altstadt rund um die Arena. Vorbei am römischen Theater erreichen wir bald eine Gegend mit gemütlichen Restaurants. Wir sind ziemlich hungrig und setzen uns in eines der Straßenrestaurants.

An diesem Tag ist auch die Fête de la Musique. Es wird in der ganzen Stadt musiziert und zahlreiche Gruppen ziehen noch spät abends durch die Straßen.

Im römischen Theater proben Kinder eine Aufführung, in einer Buchhandlung spielt eine dreiköpfige Jazzgruppe, allenthalben wird musiziert. Eine durchaus vergnügliche Veranstaltung.

22.6.2019 Tag 4
Arles 0 km

Heute ist Markttag in Arles. Schon gestern Abend wurde die bestreffende Straße für den Verkehr gesperrt. Leider können wir dadurch nicht in die am nächsten liegende Tiefgarage und bezahlen für einen Tag parken in Arenanähe 40 EUR. Dafür dürfen wir aber den Markt besuchen.

Nach einem Frühstück mit Kaffee und Croissants in einem Straßencafé wandern wir zum Marktareal.

Der Markt ist endlos und besteht aus einer Zeile für Textilien mit sonstigem Zeugs und einer Zeile für Lebensmittel.

Wir kaufen Baguette, Wurst und zwei köstliche Olivenaufstriche und genießen das bunte Treiben. Obwohl wir eine vollausgestattete Küche im Appartement haben, nehmen wir vom Kochen Abstand und bewundern das Angebot an Fisch, Meeresfrüchten und Gemüse nur visuell.

Den Vormittag beenden wir mit einem Mittagsschläfchen. Am späteren Nachmittag machen wir einen Stadtbummel, den wir mit einem Cafébesuch beenden.

23.6.2019 Tag 5
Arles 0 km

Es ist Sonntag. Wir parken unser Auto in die städtische Tiefgarage um. Das ist gleich wesentlich billiger, die 15 EUR pro Tag empfinden wir fast als Geschenk und überdies parken wir neben einem Auto mit Salzburger Kennzeichen. Von dort ist es ja auch nur ein Katzensprung bis hierher.

Danach geht’s los mit der Kultur und wir besuchen die Alyscamps, eine antike Totenstadt. Neben den auf beiden Seiten des Weges aufgereihten Steinsarkophagen ist von der Kirche St. Honorat aus dem 12. Jhdt. am meisten zu sehen.

Nachdem es erst 10:00 Uhr ist, sind wir die einzigen Besucher und die Altertümer liegen vor uns im Halbschatten der vormittäglichen Sonne. Bereits Vincent van Gogh wurde von dieser Stätte inspiriert. Als wir das Areal verlassen, betritt eine Gruppe Japaner das Gelände. Mit Japanern hätten wir aber niemals Probleme.

Den Rest des Vormittags verbringen wir in einem Straßencafé auf dem Boulevard des Lices.

Nach einem ausgedehnten Mittagspäuschen suchen wir ein Lokal fürs Abendessen und werden am Place du Forum fündig, der praktisch mit Restaurants und Cafés vollgestopft ist.

Die Taverne du Forum lockt uns mit Moules und einem Liter Weißwein. Die Mittagshitze ist mittlerweile einer angenehmen frühabendlichen Kühle gewichen und wir genießen die vorzüglich zubereiteten Muscheln. Ich bin ja mit Moules marinières (Miesmuscheln mit Butter, Knoblauch und Weißwein) vollkommen glücklich, sodass ich mich für keine andere Variante entscheiden muss.

Es ist mittlerweile 21:00 Uhr, noch taghell und wir beschließen daher noch einen kleinen Spaziergang vor der Rückkehr in unser mittelalterliches Quartier. Der Boulevard des Lices ist interessanterweise wiederum teilweise gesperrt und wir registrieren eine beginnende Vorstellung einer Volkstanzgruppe.

Der Ansage des Sprechers können wir irgendwas mit katalanisch-provenzalischer Freundschaft entnehmen, finden zufällig zwei Plätze in einer Stuhlreihe und erfreuen uns an den bäuerlichen Tanzdarbietungen. Die Darsteller und Tänzer sind in Trachten gekleidet und für die musikalische Untermalung sorgt eine Tambouren- und Pfeifergruppe.  Verteilte Strohballen symbolisieren die ländliche Umgebung. Wir beobachten ein paar Tänze und streicheln zum Abschied drei Esel.

Eine Dame aus Wuppertal (Fotografin) spricht uns an und wir reden über die Provence, Wagner, Gott und die Welt und das Kulturprojekt (Luma Parc des Atliers) der Milliardärin Maja Hoffmann in Arles, das wir auch noch besuchen wollen. Nach dem Liebkosen der Esel gehen wir endgültig in unser Maison historique.

Mittlerweile ist es 00:30 Uhr und draußen ist es völlig ruhig. Ich stehe am offenen Fenster und schaue direkt auf die beleuchtete, fast 2000 Jahre alte römische Arena. Es ist durchaus beeindruckend.

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