Leipzig 2019

EINE REISE ZU JOHANN SEBASTIAN BACH (UND WAGNERS RING)

Dienstag, 30. 4. 2019

Wir machen wieder einen Ausflug. Diesmal geht’s nach Leipzig. Die Karten für Wagners Ring haben wir schon vor Monaten gebucht. Leipzig ist Richard Wagners Geburtsstadt, aber auch an Johann Sebastian Bach kommt man in Leipzig keinesfalls vorbei. Immerhin war der (für viele) größte Komponist aller Zeiten 27 Jahre Thomaskantor in dieser Stadt.

Auf Umweltdiskussionen lassen wir uns gar nicht erst ein und fahren mit der Bahn. Das geht mit einmal Umsteigen in Erfurt und kostet pro Person und Richtung auf der Hinfahrt 79,90. Die Rückfahrt kostet 59,90 – wahrscheinlich weil es „hinunter“ geht. Leipzig ist ja ziemlich weit „oben“.

Wir fahren mit dem ICE und nach 7 Stunden landen wir am Hauptbahnhof in Leipzig. Eine Platzreservierung ist jedenfalls kein rausgeschmissenes Geld, obwohl das Bild anderes suggeriert.

Unser Hotel (es ist zu Fuß erreichbar) ist ein Apartmenthaus und wir bewohnen eine Suite mit zwei Zimmern. Es gibt eine Kochecke mit Kühlschrank, Kaffeemaschine und Wasserkocher. In jedem der zwei Zimmer steht ein Fernseher. Die Champions League Matches auf Sky (eh nur die Halbfinalhinspiele) sehen wir nicht, weil wir lieber in der Oper sitzen.

Aus unserem Bett blicken wir bereits in Vorfreude auf die Leipziger Oper.

Eine Etage über unserer Suite gibt es ein Restaurant mit Bar und Terrasse inklusive Ausblick auf die Stadt.

Die Oper sieht man hier in ihrer vollen Pracht in der untergehenden Sonne. Die Stadt kommt uns (für einen Dienstag) relativ ruhig vor, was wohl mit dem bevorstehenden 1. Mai zu tun hat.

Wir trinken etwas erschöpft von der Reise ein Willkommensbier (auf Kosten des Hauses) und treffen anschließend noch Wiener Freunde in der Innenstadt (insgesamt besuchen sieben miteinander in Verbindung stehende Personen mit uns diesen Ring –  zwei davon aus Berlin).

Leipzig ist eine Universitätsstadt und das macht sich auf den Straßen deutlich bemerkbar. Achtung: Text-Bild-Schere (schon wieder)! Naja, es ist relativ kühl und die Lokale weiter vorne haben Außenheizung. Wir sitzen auch lieber drinnen – in einem sächsischen Wirtshaus.

Die  Innenstadt von Leipzig ist ja relativ klein und alles ist zu Fuß in kurzer Zeit erreichbar. Aber man findet an jeder Ecke irgendeine interessante Sache, ein Bauwerk, ein Lokal oder ein mitunter luxuriöses Geschäft.

Die städtische Infrastruktur wirkt insgesamt ziemlich neu. Die Straßenbahnen, die bis weit nach Mitternacht fahren, die breiten Radwege, die auch eifrig benutzt werden. Der öffentliche Raum teilt sich auf in Fußgänger- und Begegnungszonen.

Den großen Rest der 600.000-Einwohner-Stadt sehen wir natürlich nicht und werden wir diesmal auch nicht kennenlernen.

Mittwoch, 1. 5. 2019

Der 1. Mai ist natürlich auch hier ein Feiertag. Wir erwarten keinen SED-Aufmarsch der werktätigen Massen, dennoch marschieren SPD, Linke und Grüne unter unseren Fenstern vorbei. Der Zug ist enden wollend und ich bin unentschlossen, ob das ein gutes Zeichen ist. Man könnte annehmen, dass die lohnabhängigen Arbeiternehmer zufrieden sind. Die Nachrichten aus den ehemaligen DDR-Ländern sprechen allerdings eine andere Sprache.

Wir starten einen Bummel durch die Altstadt von Leipzig. Kirchen und Kathedralen ziehen uns magisch an und so stehen wir kurze Zeit später in der Nikolaikirche, der ältesten und größten Kirche in Leipzig. Sie hat auch die politische Wende („Wir sind das Volk“) 1989 in der DDR angestoßen.

 

Neben der pastellfarbenen Ausgestaltung sind die Palmenkapitelle besonders auffallend. Die Orgel können wir leider nicht hören.

Die historische Innenstadt Leipzigs ist klein und so stehen wir kurze Zeit später vor dem Alten Rathaus, wo wir noch Reste der 1. Mai-Kundgebungen mitbekommen.

Das prächtige Gebäude der Commerzbank wurde 1906 als „Kaufhaus Ebert“ erbaut und beherbergte während der DDR-Zeit einen Konsum.

Es liegt in unmittelbarer Nähe der Thomaskirche. Bach war hier 27 Jahre Thomaskantor und ist auch 1750 in Leipzig gestorben. Obwohl beide Kirchen romanischen Ursprungs sind, vermittelt der Innenraum der Thomaskirche ein völlig anderes Bild.

 

Nachfolgend der Blick auf das Allerheiligste – die Orgel. An der sollen neben Bach auch Mozart und Mendelssohn gespielt haben. Glücklicherweise hören wir hier ein kleines Orgelkonzert – möglicherweise hat der Thomaskantor geübt. Faszinierend sind immer wieder die ganz tiefen Orgeltöne, die man eigentlich nur mehr spürt.

 

Der Abend bringt mit „Das Rheingold“ den ersten Opernbesuch. Wir haben hervorragende Plätze und sitzen im Rang in der ersten Reihe.

Der Dirigent (Ulf Schirmer) und das Orchester (Gewandhausorchester) sind hervorragend. Wikipedia schreibt zum Gewandhausorchester: „Es gehört international zu den führenden Orchestern und gilt mit derzeit etwa 185 Berufsmusikern als weltweit größtes Berufsorchester“. Wir glauben das gerne.

Die Sänger sind zudem erstklassig, über die Inszenierung von Rosamund Gilmore kann man – wie über jede Inszenierung – trefflich streiten.

Donnerstag, 2. 5. 2019

Heute geht es mit „Die Walküre“ im Opernhaus weiter. Zuvor starten wir einen kleinen Stadtspaziergang und beginnen beim Gewandhaus.

Das Gebäude wurde 1981 fertiggestellt und ist die dritte Version des Gewandhauses. Die DDR-Führung konnte sich aber nicht mehr lange daran erfreuen. Wir können das allerdings auch nicht, da das Gewandhausorchester mit der Ring-Aufführung ausgelastet ist und parallel dazu keine Konzerte gibt.

Ein wenig enttäuscht setzen wir unseren Stadtbummel fort und werfen einen Blick auf das neue Rathaus, den Sitz der Stadt Leipzig.

Der Bau stammt aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts und wirkt ein wenig bedrohlich, zumindest aus dieser Perspektive. Wesentlich freundlicher wirkt die Mädler-Passage. Das ist kein Wunder, denn sie will ja unser Bestes. Neben exklusiven Geschäften bietet sie sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag.

Der Abend beginnt sodann um 17:00 Uhr mit der Walküre im Opernhaus.

Das aktuelle Haus wurde 1960 fertiggestellt und vermittelt einen freundlichen und großzügigen Eindruck. 2007 wurde die Oper umfassend renoviert und mit einer neuen Bestuhlung versehen.

Wir beurteilen die Akustik als hervorragend. Auch die Sitzplätze (das Haus verfügt über 1264) sind sehr komfortabel.

Die Sänger in der Walküre und das Orchester sind wieder ausgezeichnet. Besonders erwähnenswert sind Simone Schneider (Sieglinde), Christiane Libor (Brünnhilde) und natürlich Simon O’Neill (Sigmund), der zuletzt an der Wiener Staatsoper als Parsifal zu hören war. Die Tänzer, die abermals im Einsatz waren, kann man mögen, muss aber nicht. Ich persönlich komme mit Ring-Inszenierungen ohne additives Gewusel auf der Bühne im Allgemeinen hervorragend zurecht.

Den Abend lassen wir mangels besserer Gelegenheit im gegenüberliegenden Vapiano (es muss auch nicht immer sächsische Küche sein) ausklingen.

Freitag, 3. 5. 2019

Wie der Wochentag vermuten lässt haben wir heute frei. Wir wollen daher (mit Freunden) die Leipziger Notenspur erkunden. Das ist ein ca. 5 km langer Weg mit Stationen aus der musikalischen Geschichte der Stadt. Frohen Mutes beginnen wir mit dem Mendelssohn-Haus. Das Haus beherbergt viele Exponate aus Mendelssohns letzten Jahren. Spannend ist aber ein Hörraum mit beschrifteten Lautsprechern, die einzelne Instrumentengruppen wiedergeben.

Über einen Touchscreen können mehrere Orchesterwerke ausgewählt und danach bestimmte Stimmgruppen selektiert oder hervorgehoben werden. Zusätzlich reagiert das System über Bewegungserkennung auf Dirigierbewegungen. Die Wiedergabe reagiert erstaunlich gut auf Tempoveränderungen und der Ablauf kann in der Partitur am Bildschirm mitverfolgt werden. Das Musiksystem wurde 2013 installiert und befindet sich somit einigermaßen am Stand der Technik.

Wir spielen eine Zeit lang mit der Anlage und stellen danach fest, dass wir so niemals die gesamte „Notenspur“ schaffen. Mit großem Bedauern überspringen wir ziemlich viele Stationen und machen uns auf den Weg Richtung Bach-Museum. Sinnvollerweise befindet es sich gegenüber der Thomaskirche.

Es ist dies ein kleines Museum und man kann hier eines von zwei authentischen Porträts sehen. Die übrigen Exponate bestehen aus Autographen, einigen Musikinstrumenten und sonstigen Zeugnissen seines Lebens. Vieles davon kann man leichter auf Wikipedia und anderen Quellen nachsehen. Falls man mit Bach etwas anfangen kann und in Leipzig ist, sollte man jedenfalls nicht versäumen, das Museum zu besuchen.

Danach sind wir leicht  ermattet und laben uns im Kartoffelhaus N°1. Den Rest des Tages verbringen wir in unserer Suite.

Samstag, 4. 5. 2019

Heute „Siegfried“. Der Tag startet regnerisch und es hat 3°. Frühstück gibt’s bei meinem Lieblings-EDEKA um’s Eck mit angeschlossener Bäckerei.

Leider hat er nur bis 22:00 Uhr geöffnet (Siegfried dauert länger) und was ich am Sonntag machen soll, weiß ich bis jetzt noch nicht. Wir beginnen Vorräte anzulegen.

Am späteren Vormittag unternehmen wir noch einen kurzen Stadtbummel und schlendern noch einmal zur Mädler-Passage. Auerbachs Keller aus dem 16. Jhd. hatten wir beim ersten Mal übersehen. Die überlaufenste Gaststätte Leipzigs ist durch eine Szene in Goethes Faust I bekannt.

Die Preise auf der Speisekarte bewegen sich durchaus im Rahmen, aber angesichts des Andrangs verzichten wir auf einen Besuch und begnügen uns mit einem Foto.

In einem Buchladen erwerben wir noch ein Buch über den Augustusplatz. Auf diesen Platz sehen wir jeden Tag nach dem Aufstehen hinunter und hier stehen auch die Oper und das Gewandhaus.

Wir erfahren, dass unser Hotel als Hauptpost in den Jahren 1961 bis 1964 erbaut wurde und heute unter Denkmalschutz steht. Zur Zeit der Errichtung war dieses Gebäude, was technische Ausstattung und Inneneinrichtung betrifft, auf dem modernsten Stand. Der Autor schreibt weiter: „Bis heute hat es nichts von seiner Faszination und Schönheit eingebüßt“. Wir wollen dem nichts hinzufügen und stellen fest, dass wir nicht nur komfortabel, sondern auch architektonisch bedeutsam wohnen.

Jetzt aber wirklich zu „Siegfried“. Die Oper beginnt um 17:00 Uhr und endet um ca. 22:20 Uhr. In den Pausen haben wir wieder Gelegenheit, das Haus zu bewundern.

Sänger und Orchester sind auch heute wieder hervorragend. Besonders hervorzuheben sind Michael Weinius (Siegfried), Dan Karlström (Mime) und Simon Neal (Wanderer). Aber auch Tuomas Pursio (Alberich) liefert eine eindrucksvolle Vorstellung.

Die Handykamera ist beim Schlussapplaus mit den Lichtkontrasten auf der Bühne deutlich überfordert (es verneigt sich der Dirigent).

Den Abend lassen wir aus naheliegenden Gründen wiederum im Vapiano ausklingen, die Zwangsbeschallung macht mir aber trotzdem keine Freude.

Sonntag, 5. 5. 2019

Heute „Götterdämmerung“. Am späteren Vormittag machen wir uns aber noch auf den Weg in die Stadt. Wir besuchen noch einmal die Thomaskirche und entdecken dabei das Grab Johann Sebastian Bachs, das uns beim ersten Mal entgangen ist.

Danach suchen wir (eher zufällig) das Museum der bildenden Künste. Man betritt das Glasgebäude und steht plötzlich in einem riesigen Raum. Im Museum sieht man Alte Meister wie Frans Hals oder Caspar David Friedrich und vor allem zahlreiche Werke von Max Klinger oder Max Beckmann.

Der Kubus wirkt besonders innnen riesig und man kann hier viel Zeit verbringen (wir haben bei zukünftigen Besuchen definitiv noch Nachholbedarf). Beim Eingang ist ein Café für kreative Pausen und man kann im Eingangsbereich zahlreiche Objekte bewundern.

Wir treffen uns noch mit unseren Freunden zum verspäteten Mittagessen im Gasthaus „Alte Nikolaischule“ bevor wir uns auf den Weg zur Oper machen.

Die Inszenierung des Rings von Rosamund Gilmore wird einem nicht unbedingt nachhaltig im Gedächtnis bleiben, die Götterdämmerung war – vor allem die Personenführung betreffend – noch am überzeugendsten. Von den Sängern darf man Thomas Mohr (Siegfried), Iréne Theorin (Brünnhilde), Sebastian Pilgrim (Hagen) und Tuomas Pursio (Gunther) hervorheben. Am allerbesten war aber die Homogenität des Ensembles über den gesamten Ring. Die Mitwirkenden inklusive Orchester haben uns an den vier Abenden größtes Vergnügen bereitet.

Explizit erwähnen möchte ich noch einmal das Opernhaus. Neben dem weitläufigen Foyer, den großzügigen Pausenräumen und den komfortablen Sitzen ist ein außerordentlich selektives Hören des Orchesterklangs und der Sänger möglich. Eine ähnliche Transparenz habe ich vielleicht in der Semperoper in Dresden erlebt. Der Klang im Fortissimo ist natürlich dennoch knackig.

Im Übrigen lässt sich das auch physikalisch belegen. Das Zauberwort heißt Nachhallzeit. Die Oper Leipzig hat – wie die Semperoper – eine Nachhallzeit von 1,6 Sekunden.

Montag, 6. 5. 2019

Uns bleibt die Heimreise nach einer – in vieler Hinsicht – äußerst interessanten Woche. Mit unserem Appartement in der Hauptpost waren wir sehr zufrieden, hotelspezifische Dienstleistungen haben wir nicht wirklich vermisst.

Ein untrügliches Kennzeichen einer interessanten Stadt ist das Gefühl, nach einer Woche jede Menge noch nicht gesehen zu haben. Und genau dieses Gefühl begleitet uns am Weg zum Bahnhof.

Wir fahren um 10:48 Uhr vom Hauptbahnhof Leipzig ab. Der Bahnhof ist übrigens der größte Kopfbahnhof Europas, nach überdachter Grundfläche gemessen.

Um 17:38 Uhr landen wir pünktlich in Wien Meidling.

– Ende der Reise –