Brünn 2018

EINE KLEINE REISE IN ZWEI TEILEN

Sonntag, 25. 11. 2018

Heute starten wir unseren seit längerem geplanten Ausflug nach Brünn. Unser Ziel ist in erster Linie das Opernhaus. Hier und in anderen Spielstätten findet heuer wieder das Janáček Festival statt. Wir wollen Die Sache Makropulos sehen, wofür wir schon vor Monaten Karten gekauft haben.

Die Reise beginnt am Wiener Hauptbahnhof. Nach rund eineinhalb Stunden erreichen wir den Brünner Hauptbahnhof, der noch zu Zeiten der Monarchie errichtet wurde. Der Bahnhof liegt am Rand der Altstadt und wir erreichen nach 400 m unser Hotel. Die angebotenen Annehmlichkeiten wie Massage und Fitnesseinrichtungen nutzen wir nicht, sondern machen uns nach einem Blick aus dem Fenster auf den Weg ins Zentrum.

Das Hotel ist ein Jugendstilbau aus dem frühen 20. Jhd. und wirklich geschmackvoll renoviert. Die Hotellobby ist riesig und auch das Zimmer ist recht groß und gemütlich eingerichtet.

Wir schlendern durch die Altstadt und erreichen unser erstes Ziel, das Restaurant Pavillon. Hier treffen wir uns mit per Auto angereisten Freunden und nehmen ein frühes Abendessen zu uns. Die Gerichte sind hervorragend und die Klasse des Restaurants wird dadurch unterstrichen, dass beim Servieren auch die Zutaten (auf Englisch) erklärt werden. Wir zahlen mit Kreditkarte und nehmen uns vor, wieder herzukommen. Nach entspannten eineinhalb Stunden spazieren wir zum nahe gelegenen Opernhaus.

Brünn hat zwei Opernhäuser. Ein kleines, älteres – das Mahen-Theater (Mahenovo divadlo) von Fellner & Helmer und das Janáček-Theater (Janáčkovo divadlo).

Brünn ist die Stadt, in der Leoš Janáček einen Großteil seines Lebens verbrachte. Sie scheint zunehmend eine Hochburg für Liebhaber des mährischen Komponisten zu sein. Das Janáček Festival findet seit 2008 alle zwei Jahre statt, wobei natürlich seine Opern mit Gastspielen europäischer Opernhäuser einen Schwerpunkt bilden. „Janáček ist für mich – neben Mozart, Verdi, Puccini, Strauss und Wagner – der sechste Operngott“ sagte der Dirigent Franz Welser-Möst 2010 in einem Interview und ich möchte diese Aussage jetzt so stehen lassen.

Ein Blick auf den Spielplan des National Theater Brünn zeigt, dass es hier auch andere interessante Produktionen – vorzugsweise tschechischer Komponisten – gibt. Der Aufwand für die Anreise ist überschaubar.

Unsere Vorstellung findet um 19:00 Uhr im Janáček-Theater statt, einem wirklich beeindruckenden und großzügigen Bau aus den frühen 60er Jahren. Nachdem dafür, 1913 beginnend, sieben Architektenwettbewerbe durchgeführt wurden, gehen wir davon aus, dass wir in einem optimalen Opernhaus sitzen. Tatsächlich sind die Plätze bequem und die Akustik ist hervorragend. Wir sitzen aber auch in der 4. Reihe.

Die Aufführung ist ein Gastspiel der Opera Vlaanderen aus Antwerpen und Gent. Außer dem tschechischen Dirigenten, den wir aus der Wiener Staatsoper kennen, ist uns das „Personal“ völlig unbekannt.

Die Vorstellung ist sodann exzellent. Auch unser Freund, Musikkritiker der renommierten Fachzeitschrift Das Opernglas und Janáček-Kenner, spricht von einem Schlüsselerlebnis. Sänger, Orchester, Bühnenbild und Regie haben – um es einfach zu sagen – perfekt gepasst. Lang anhaltender, teils frenetischer Jubel nach dem Ende entlässt uns in die abendliche Dunkelheit der Stadt.

Unsere Freunde müssen sich wegen diverser Verpflichtungen leider auf den Weg nach Wien machen.

Da es wie erwartet zu nieseln beginnt, wandern wir beglückt nach Einnahme eines Turbomošt an einem Stand des Weihnachtsmarktes vor der Oper Richtung Hotel. Im dortigen Café besprechen wir bei Kaffee, Bier und Wein den erfreulichen Abend. Die attraktiven Torten lächeln uns aus der Glasvitrine verführerisch an, aber wir können leider nichts mehr essen.

Montag, 26. 11. 2018

Der Tag beginnt trüb, die Temperatur liegt wenig über 0° und die Bahn fährt erst um 13:30 Uhr zurück. Beste Voraussetzungen, um nach einem wirklich guten Frühstück im Hotel die Brünner Weihnachtsmärkte zu besuchen. Meine Kritik am Hotelfrühstück um 12 EUR beschränkt sich ausschließlich auf die zu harten weichen Eier. Damit kann ich aber gut leben.

Um uns einzustimmen, beginnen wir mit der lebensgroßen Holzkrippe am Platz vor dem Hotel. Bei Betrachtung der beiden fliegenden Engel sind wir durchaus froh, dass sie mit Ketten fixiert sind.

Danach wird’s schnell besinnlich und wir bedauern zum ersten, aber nicht zum letzten Mal, dass wir noch mit dem Zug und – schlimmer noch – danach mit dem Auto fahren müssen.

Glühwein und Punsch kennen wir zur Genüge. Herauszuarbeiten, worin die Unterschiede zwischen Turbomošt, Turbošroub (Turboschraube) und Gentleman bestehen, wäre schon eine sehr reizvolle Aufgabe. Preislich gibt es jedenfalls keinen Unterschied.

Jägermeister klingt zwar vertraut, unter Saint Hubert, Jägranko oder Ice Shot Jägermeister können wir uns jedoch wenig vorstellen. Selbst Google ist nicht besonders auskunftsfreudig, jedenfalls nicht auf Deutsch. Auf Jägerbull und das Getränk darunter würden wir ohnehin verzichten.

Hier wird’s dann unübersichtlich. Die Metalltöpfe sehen zwar nach Essen aus, sind aber Trinken. Um dieses Angebot gewissenhaft zu „bearbeiten“ bedarf es aber zweifelsfrei mehrerer Tage. An dieser Stelle ist ein kleiner Scherz angebracht:
Bäcker:  der Weizen – das Korn
Wirt:      das Weizen – der Korn.

Uzenářské Speciality Bognár heißt Wurstspezialitäten Richter, aber wir können das äußerst verlockende Angebot trotzdem nicht in Anspruch nehmen. Das Frühstück war zu üppig. Die Sachen sehen sehr gut aus und in Anbetracht der Fotos bedaure ich es im Nachhinein ein wenig, hier nicht eingekauft zu haben.

Hier erfreut uns ein alter Citroën HY (einer der unerreichten Träume meiner Campingvergangenheit) mit seinem Anblick. Wir haben auch noch einen weiteren gesehen und ich frage mich, woher die diese Autos haben, noch dazu in diesem Zustand. Das Auto wird seit 1982 nicht mehr gebaut. Meinem 2CV Bj. 78 konnte man beim Rosten zuhören.

Fässer sind jedenfalls auch sehr beliebt. Das Angebot haben wir aber nicht mehr näher überprüft. Zur Zeit der Aufnahme ist es noch nicht Mittag und wir fragen uns, ob der Verkauf von Alkoholika am Vormittag so ein großes Geschäft sein kann.

Diese Bäckereien werden auf interessante Weise hergestellt. Obwohl es an diesem Stand verführerisch duftet, lassen wir es dann doch bleiben und drehen zum Abschluss noch eine Runde um den Markt beim Hotel.

Danach holen wir unsere Koffer aus dem Hotel und gehen die paar hundert Meter zum Bahnhof. Nach ausgiebiger Besichtigung des Jugendstilgebäudes fährt unser Zug pünktlich ab. Wegen des Streiks der österreichischen Eisenbahner sammeln wir unterwegs allerdings 90 Verspätungsminuten. Uns stört das nicht sehr, da wir es uns – mit Ebook-Readern bewaffnet – im halbleeren Railjet gemütlich machen. Außerdem: wann bitte kommt man schon ins nördliche Niederösterreich?

Die Reise wollen wir zum nächsten Janáček Festival in zwei Jahren wiederholen, allerdings dürfte die Stadt bei wärmeren Temperaturen auch sehr attraktiv sein, wenn auch nicht so besinnlich. Eine frühere Rückkehr ist daher nicht ausgeschlossen.